Dienstag, 30. Dezember 2008

ZUM GEDENKEN AN

SHMUEL BLUMBERG sel. A.

Lódz, 9. Aw 5671 – Konstanz, 12. Kislew 5759

(3. August 1911 - 1. Dezember 1998)

aus Anlass der 10. Jahrzeit:

Am Sonntag, dem 21. Dezember 2008 gastierte zum Andenken an den vor zehn Jahren verstorbenen Oberkantor der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz, Shmuel Blumberg sel.A., der Oberkantor der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Shmuel Barzilai, mit einem Solokonzert im Kulturzentrum Konstanz. Barzilai gilt als einer der derzeit weltbesten Chasanim (Kantoren). Sein Programm mit Chasanut (jüdisch-liturgischer Gesang), israelischen und jiddischen Liedern beigeisterte das Publikum im vollbesetzten Wolkensteinsaal. Zuvor hatte Benjamin Nissenbaum, der 1. Vorsitzende der Konstanzer Kultusgemeinde, an den Konstanzer Kantor und Maler Shmuel Blumberg erinnert und mit Rabbiner Usi Teitelbaum und den Gemeindemitgliedern das 1. Chanukkalicht gezündet.

Zu Ehren Ihres ehemaligen Kantors hat die Israelitische Kultusgemeinde eine kleine Gedenkschrift herausgegeben, die auch eine Auswahl von Gemälden des Künstlers Shmuel Blumberg präsentiert und deren Text hier wiedergegeben ist:

Jaakows Traum

Erinnerungen an Shmuel Blumberg

von Thomas Uhrmann

Shmuel Blumberg wurde am 9. Aw 5671 (3. August 1911) im polnischen Lódz geboren und kam im Alter von dreizehn Jahren mit seinen Eltern nach Jerusalem.

Hier besuchte er rabbinische Schulen und wurde in einer Kantorenschule zum Chasan (Kantor) ausgebildet. Den ersten Malunterricht erhielt Shmuel Blumberg von seinem Vater, mit dem er später zusammen Wandmalereien in alten Synagogen, darunter auch in der Hurva-Synagoge im jüdischen Viertel der Jerusalemer Altstadt, ausführte.

1955 wurde Blumberg als Oberkantor der Synagogengemeinde nach Köln berufen. Von 1956 bis 1960 war er Oberkantor in der Seitenstettengasse-Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und studierte in dieser Zeit an der Akademie für angewandte Kunst bei Professor Bäumer Mosaikkunst und Glasmalerei. Fünf Monate arbeitete er auch im Atelier des Wiener Malers Professor Ernst Fuchs; zusammen mit ihm stellte er auch erstmals seine eigenen Werke aus. Ensemblemitglieder der Wiener Staatsoper kamen in die Synagoge, um seinen Gesang zu hören, doch das Angebot eines Engagements an diesem weltberühmten Haus lehnte er ab: zu wichtig waren ihm seine Aufgaben für das jüdische Gemeindeleben.

Von 1960 - 1972 bekleidete Shmuel Blumberg erneut die Stelle als Oberkantor der Synagogengemeinde in Köln. Von hier holte ihn der Gründer der Israelitischen Kultusgemeinde, Sigmund Nissenbaum, im Jahre 1973 nach Konstanz, wo er bis zu seinem Tode als Oberkantor und Lehrer amtierte und von wo aus er lange Zeit gleichzeitig der Jüdischen Gemeinde in Freiburg im Breisgau als Kantor und Lehrer zur Verfügung stand. Auch als begnadeter Maler, dessen Werke in jenen Jahren mehrfach im In- und Ausland ausgestellt wurden, wandte er sich hauptsächlich religiösen Themen zu.

Shmuel Blumberg war weit über die Gemeinde hinausreichend eine angesehene Person in der Stadt Konstanz und hatte zahlreiche Kontakte zu Vertretern des öffentlichen Lebens und zu vielen Bürgern geknüpft. Wer ihn am Schabbat auf seinem Weg von zu Hause in die Synagoge und zurück begleitete, erlebte, wie viele Menschen ihn grüßten und das Gespräch mit ihm suchten.

Die Wohnung in der Konstanzer Richentalstraße 5 war Atelier und Galerie zugleich: eine Staffelei stand im größten Zimmer, an den Wänden hingen seine Bilder dicht an dicht, weitere Werke standen aneinandergelehnt in den Ecken aller Räume, und die Fenster waren bemalt mit Szenen aus der Schöpfungsgeschichte. Zu den Hauptmotiven seiner Kunst zählen Landschaften in Israel, Beter in Synagogen, biblische Erzählungen wie die abgewendete Opferung Izchaks, Jaakows Kampf mit dem Engel oder – immer wieder in verschiedenen Varianten – König David mit der Harfe, um nur einige zu nennen.

Hier empfing Shmuel Blumberg oft und gerne Gäste und Bewunderer seiner Kunst, Juden wie Nichtjuden. Wer bei ihm zu Gast war, konnte viel über jüdische Religion und Musik erfahren, konnte mit ihm gemeinsam historische Tondokumente aus seiner reichen Schallplattensammlung mit Aufnahmen berühmter Chasanim (Kantoren) hören oder lebhaften Schilderungen aus seinem bewegten Leben, angereichert mit Anekdoten oder hintergründigem Witz, lauschen. Auch in Gesprächen über andere Themenbereiche, die ihn stets beschäftigten – Theater, Literatur, Geschichte oder aktuelle Politik – zeigte sich die universelle Bildung Shmuel Blumbergs. Tiefe Religiosität und Humanität, Weisheit und Humor strahlte seine Persönlichkeit bei diesen Begegnungen wie auch in seinem Wirken für die Israelitische Kultusgemeinde, die er in all den Jahren so entscheidend prägte, aus.

Shmuel Blumbergs letztes vollendetes Gemälde war ein Glasfenster im Auftrag von Benjamin Nissenbaum für die Israelitische Kultusgemeinde in der Sigismundstraße, auf dem Jaakow und sein Traum von der Himmelsleiter mit den Engeln dargestellt ist. Die Installation an der Ostseite des Gemeindezentrums im ersten Stock konnte er selbst noch miterleben, und in den letzten Monaten seines Lebens leitete er die G’ttesdienste vor dem direkt daneben auf gestellten Aron ha-Kodesch (Heilige Lade; Toraschrein), als die Synagoge im Erdgeschoss baulich erweitert und neu gestaltet wurde.

Die Paraschat Wajeze (Bereschit [1. Buch Mose], 28,10 – 32,2), der Wochenabschnitt aus der Tora, in der die Szene von Jaakows Traum beschrieben ist, war an jenem Schabbat drei Tage vor seinem plötzlichen Tod zur Lesung in der Synagoge an der Reihe - und damit die letzte Paraschat, die Shmuel Blumberg vor seiner Gemeinde vortrug.

„Als G’tt noch ein Dichter war“

Bilder aus dem Judentum:

Internationale Pressestimmen zu den Ausstellungen von Shmuel Blumberg

„Wie ruhig und kühn sind die Gesichter seiner Menschen, die im Zentrum der Landschaft wandeln. Immer wieder aber ist es das Land Israel, das er zu zeigen versteht wie kein anderer.“

Ernst Fuchs in „Neue Welt“, Wien, Januar 1960

„... er ist als Maler ein Unikat. Die Propheten, Tempelruinen und biblischen Landschaften, die er im Bild festhält, sind zwar mit geradezu kindlicher Schlichtheit komponiert, doch eben durch sie wird besser als durch irgendwelche sublimen Kunstgriffe etwas von der archaischen Urgewalt der dargestellten Themen sichtbar.“

Manfred Vogel im Österreichischen Rundfunk, Januar 1960

„...grosser Atem geht durch Blumbergs Bildwelt, das macht ihren Reiz aus.“

„Neues Österreich“, Wien, 13. Januar 1960

„...der entdeckungsfreudige Ernst Fuchs musste ihn erst dazu überreden, seine Bilder auszustellen – und vielleicht ist dies einer der Gründe, warum sie derart überzeugen. Da steckt kein Bestreben dahinter ‚Kunst zu machen’ und zu wirken, da findet man die Eigenschaften unserer vormittelalterlichen und mittelalterlichen Meister wieder, denen das Schaffen ebenso selbstverständlich wie notwendig war...“

„Die Ostschweiz“, St. Gallen, Januar 1960

„Blumberg empfindet die Psalmen noch als Gesangstexte, er sagt, die Musik gebe ihm die Kraft und die Phantasie. In seinen Darstellungen glaubt man eine Begegnung mit einer ganz anderen Welt zu spüren.“

„NRZ an Rhein und Ruhr“, Düsseldorf, September 1965

„...gelangen ihm visionäre Untermalungen zu den weihevollen Sprachschöpfungen der Psalmen. Die in Worte nicht fassbare Atmosphäre der Farben, der weichen verfließenden Formen sind von altjüdischem Geisteserbe durchtränkt.“

„Wiener Zeitung“, Wien, 10. November 1965

„Blumberg, ein Mensch von seltener Empfindsamkeit, veranschaulicht in seinen Gemälden mittels seiner pathetischen Ausdruckskraft die jüdische Religion.“

„La Laterne“, Bruxelles, 21. Januar 1967

„Der Ernst, die Strenge und das Mysterium dieser Bilder, die den Büchern Jesajas und Jeremias entnommen sind, hören nicht auf, uns in Erstaunen zu setzen, gleichwie die Mischung aus Demut und Stolz.“

„La Phare Dimanche“, Bruxelles, 29. Januar 1967

„ ‚Eine wunderbare Welt, worin alles in jedem Augenblick möglich ist’, schwärmte der Kunstkritiker Roger Fry, nachdem er in London eine Ausstellung russischer Ikone gesehen hatte. Auch über das Werk Marc Chagalls - dieses volkstümlichen Träumers ließe sich solches sagen. Und daß der in den Bildern des gleich tief im Judentum verwurzelten Shmuel Blumberg im Hintergrund anwesend ist, läßt sich nicht übersehen.

Blumberg jedoch ... ist nicht der Mythenerfinder und der Kolorist von Gottes Gnaden. Er malt keine feingesponnenen Kunstmärchen und macht nicht ‚peinture’. Keine hochfliegenden Hähne weit und breit, keine mondsüchtigen Kühe - verrückte Hochzeiten. Keine Bella. Blumberg hält sich an das durch die Schrift beglaubigte Ereignis. Er erzählt von einer Zeit, da die Engel noch unter die Menschen gingen. Und die Luft voll war von Flügelrauschen. Da Gott noch ein Dichter war und die Welt konkrete Poesie.

Moses, der die Gesetzestafeln empfängt, und den Rabbiner mit der Tora in seiner frommen Düsternis behandelt Blumberg mit geduldiger Zärtlichkeit. Hin und wieder entrückt er ein Bild der Alltagsrealität, indem er es auf eine goldgrundierte Spanplatte montiert. Will es über den intimen Rahmen des Andachtsbildchens hinaus ins Große, ertrinkt es ihm im emotionalen Strom der Farbe.“

V.B., Badische Zeitung (Kultur), Freiburg im Breisgau, 6. November 1982

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